unter „sonstigem“ geht es um allerlei Dinge im Gesundheitswesen und der Medizin. Es
handelt sich um Diskussionsbeiträge zu aktuellen Fragen oder zu schon oder bald
historischen Angelegenheiten. Diskutieren Sie mit!
Sparen >>>
Dieses Mantra ist bekannt: Wir sollten sparen im Gesundheitswesen. Doch wie soll das
gehen, und was ist denn sparen überhaupt?
Medikamentenabgabe in der Praxis >>> pdf
Erst nach drei gewonnenen Abstimmungen dürfen wir ÄrztInnen im Kanton Zürich
Medikamente direkt unseren Patienten abgeben. Weshalb das gut ist und andere Aspekte
dieser Geschichte.
Managed Care >>>
… galt als Zauberwort und -mittel, um die Kosten im Gesundheitswesen „in den Griff“ zu
bekommen. Weshalb man das anzweifeln darf.
die Hausarztinitiative 2009 >>> pdf
Weshalb die Förderung der Hausarztmedizin zwar richtig ist, die Hausarztinitiative
dennoch abzulehnen war …
autistisches Denken >>>
„Das autistische Denken in der Medizin und seine Überwindung“ von E. Bleuler ist seit
1921 das vielzitierte Werk gegen diese Art des Denkens. Worum geht es da und weshalb
ist es nach wie vor längst nicht überwunden?
Praxislabor >>>
Weshalb das eigene Praxislabor wichtig ist, und weshalb es von Gesundheitspolitikern
angeblich zu Sparzwecken uns nicht weggenommen werden sollte.
Apotheker als Grundversorger >>>
Die Apotheken leisten seit jeher eine Basisberatung und -versorgung an. Die brisante
Frage jedoch ist diese: Sollen wir per Rabatt-Anreiz der Krankenversicherung die
Apotheke als erste Anlaufstelle definieren? Kann dadurch gesundheitspolitisch ein
echtes Sparpotential genutzt werden?
sparen
Was genau ist mit Sparen gemeint? Heisst es nun, ein Handelsgut oder eine
Dienstleistung effizienter herzustellen, oder heisst es weglassen? Darüber sollte man
sich zuerst unterhalten, bevor man den Begriff im Zusammenhang mit dem Gesundheitswesen
verwendet.
Welches ist denn nun die Besonderheit eines versicherten Gesundheitssystems? Diese
besteht darin, dass der Leistungsempfänger nicht der gleiche ist, der bezahlt.
Die wirklichen Kosten. Kein Tag vergeht, ohne dass z.B. in den Medien von den hohen
Gesundheitskosten die Rede ist. Doch meinen da wirklich alle das gleiche?
Als Beispiel für Kostenüberlegungen diene eine Notfallsituation. Merkmal ist hier die
Notwendigkeit einer schnellen Diagnose. Das heisst aber auch hohe Kosten. Sparen kann
hier ins Auge gehen.
Ein weiteres Beispiel für Kostenüberlegungen ist die Altersmedizin. Worin besteht denn
hier die Besonderheit?
wie man auch am falschen Ort sparen kann. Und die Zeche zahlen die anderen.
Was hiesse es, als Vergleich im Restaurant zu sparen? Was wollen wir vergleichen im
Restaurant? Ob wir satt wurden? Oder die Bedienung nett war? Auch im günstigen Schnell-
imbissrestaurant werden wir satt und man behandelt uns nett.
Sparen ist also ein schwieriges Vorgehen.
Wir ÄrztInnen und PatientInnen sollten bestimmen, ob wir eine gute Versorgung mit
motivierten Leuten haben oder ein reglementiertes, von Krämerseelen bestimmtes System.
Eine zu wenig beachtete Bedingung für ein gutes System ist die Erhaltung der Frei-
beruflichkeit von uns ÄrztInnen und Ärzten.
Es ist eine Tatsache, dass in praktisch allen Ländern zu viele Leute beim Gesundheits-
wesen dreinreden. Diese können Dinge bestimmen, von denen sie nichts verstehen. Dem
muss Einhalt geboten werden. Es gibt übrigens kaum andere Berufe, wo eine ähnliche
Situation vorliegt.
managed care
managed care (MC oder MCO) ist wie ein Zauberwort, welches alle (Kosten)Probleme lösen
soll. Allerdings gibt es keine Belege dafür, dass MC die Kosten nachhaltig optimieren
könnte. Als ÄrztInnen sollten wir gegenüber allen Massnahmen die gleichen wissen-
schaftlichen Anforderungen stellen, wie wir dies z.B. für Medikamente oder
Heilverfahren tun. Seit die Medizin langsam aus ihrem autistischen Denken bezüglich
Heilverfahren kommt - nicht zuletzt dank den Überlegungen der evidenzbasierten Medizin
- scheinen die Protagonisten ersatzweise in ein autistisches Denken bezüglich
Kostenheilung zu verfallen. Unbedacht werden Vorstellungen der Kassenökonomen
nachgebetet.
Der breite Einsatz von MC wäre nur dann gerechtfertigt, wenn deren Wirksamkeit für eine
bessere medizinische Versorgung wissenschaftlich belegt ist. Besser heisst: tiefere
Kosten in den drei (vier) Kostenbereichen und insbesondere der Nachweis, dass MC auch
bezüglich Mortalität besser abschneidet. Dieses heisse Eisen wurde meines Wissens noch
nirgends angefasst.
Budgetverantwortung als Hausarzt ist vollkommen abzulehnen. Es gibt keine Anbieter in
keiner Branche, die so etwas machen.
Bei der Budgetverantwortung steht den behandelnden GrundversorgerInnen pro Versicherten
eine bestimmte Summe zur Verfügung. Damit sind alle Kosten zu decken, interne wie auch
externe Kosten, wie z.B. Spitalbehandlungen. Darin enthalten sind auch die Entlöhnungen
der ÄrztInnen. Der Anreiz an die Ärzte soll unnötige stationäre oder sonstwie teure
Behandlungen verhindern helfen. Denn: eingesparte (unnötige) Leistungen verbessern den
Benefit der Ärzte-MC-Organisation.
Uns wird also folgendes Bild gezeichnet: Ohne MCO rechnen die Ärzte Einzelleistungen
ab, und in ihrer Gier verkaufen sie möglichst viel. Im MCO Modell sind die Ärzte alle
selbstlos, jeder Patient bekommt, was er braucht.
Hier wird einfach unterschlagen, dass in MCO Systemen der USA und anderswo gewissen
Patienten absichtlich im Sinne einer guideline (teure) Behandlungen vorenthalten
wurden, z.B. gegen Hepatitis-C. Dadurch liess sich das MCO Budget und dieses der
Versicherung deutlich verbessern. Wenn man solches Verhalten ethisch und volkswirt-
schaftlich analysiert, offenbart sich die absurde Perversion: Der nicht behandelte
Hepatitis-C Kranke wird weitere Patienten anstecken, er muss damit rechnen, vorzeitig
abzuleben infolge eines Leberkrebses, allenfalls benötigt er eine Lebertransplantation,
möglicherweise ist er wegen Begleitsymptomen wie Schwäche, Schmerzen und Müdigkeit IV-
Rentner. Diese auflaufenden Kosten (nicht miteingerechnet immaterielle „Kosten“ wie
z.B. Verlust der Lebensqualität) betragen ein Mehrfaches der teuren ihm ursprünglich
verweigerten Behandlung.
Solch eine Haltung und v.a. die Umsetzung bedingt bereits ein gehöriges Mass an krimi-
neller Energie. Es werden ethische Grundsätze auf schwerste Weise missachtet, Schädi-
gungen von Patienten und weiteren Personen bewusst in Kauf genommen. Nur des schnöden
Mammons wegen. Entsprechend wurden in verschiedenen Ländern Prozesse geführt.
Natürlich möchte ich hier nicht so weit gehen, MCO Systeme pauschal zu kriminalisieren.
Vielmehr möchte ich darauf hinweisen, dass so ein Klischee nicht funktioniert und nicht
stimmen kann: hier der ritterliche Arzt im MCO, dort der habgierige im Einzelleistungs-
system. In erster Linie darf davon ausgegangen werden, dass ÄrztInnen mehrheitlich hohe
ethische Grundsätze verinnerlicht haben und diese auch leben. Sobald aber Druck von
wirtschaftlicher Seite herrscht, sei dieser nun von der Leitung des MCO Systems oder
von einem nicht kostendeckenden Einzelleistungstarif ausgehend, können wir doch
vermehrt eine Aufweichung der ethischen Vorgaben beobachten.
Bei der Delegation der Budgetverantwortung an die Ärzte und Ärztinnen handelt es sich
um die groteske Vervollkommnung der Idee (meist von PolitikerInnen), dass diese sowieso
das Kostenproblem zu verantworten haben. Die Gleichung lautet: Keine Ärzte - keine
Kosten. Wie logisch! Mit der Budgetverantwortung ist das komplexe gesellschaftliche
Problem ganz praktisch an die Behandler delegiert worden. Erstaunlich, dass so viele
Ärzte diese masochistische Schuldhaltung verinnerlicht haben.
Gegenvorschlag: Wir ÄrztInnen sollten für eine wissenschaftlich einwandfreie Medizin
sorgen, deren Indikationen unabhängigen Überlegungen entspringen. Und unabhängig
heisst: ohne Konflikt mit einer Budget/Lohn Verbindung und ohne wirtschaftliche
Verbindungen zu Heilmittelherstellern. Dass ein Leistungsbezüger den Leistungserbringer
entschädigt, lässt sich in keiner Weise und in keiner Branche umgehen. Hier muss der
„Konsument“ vertrauensvoll darauf bauen können, dass sein Arzt, Garagist oder Jurist
ausschliesslich im Interesse des Leistungsempfängers handelt.
Dass jedem grundsätzlich alle Behandlungen zustehen können, heisst ja nicht, dass jeder
alles bekommen soll. Hier sind subtile medizinische und ethische Fragen zu beantworten,
die letztlich auch eine wirtschaftliche Dimension haben. Und es kann nicht sein, dass
die Festsetzung solcher Entscheide den Ökonomen oder Politikern allein überlassen wird.
Zum Beispiel: Soll ein dementer 90jähriger Mensch im Pflegeheim einen Hüftgelenksersatz
bekommen nach einem Schenkelhalsbruch? Oder soll ein 80jähriger leistungsfähiger und
noch arbeitstätiger Mensch eine komplexe Metastasen Behandlung erhalten? (Beide Fälle:
Ja. Bei dem dementen Patienten werden sich die Schmerzen mit anderen Mitteln kaum
ausreichend behandeln lassen (Lebensqualität), und ohne Hüftgelenksersatz steigt der
pflegerische Aufwand erheblich. Der noch rüstige Mensch mit Metastasen eines Krebses
mit vorausgesetzt guten Behandlungseigenschaften kann durch die Therapie eine gute
Lebensqualität erwarten. Hätte der demente und polymorbide Mensch solch eine
Erkrankung, könnte die belastende Therapie sein Ableben beschleunigen, und je nach
detaillierten Gegebenheiten würde man ihm und den Angehörigen von der Behandlung
voraussichtlich abraten.)
s.a. Hinweise Verein Ethik und Medizin Schweiz, VEMS
Autistisches Denken ist eigenlogisches Denken. Bezogen auf die Medizin meint man damit
vor allem den Glauben und das Festhalten an unbewiesenen Wirkungen oder
Behandlungsarten. Eugen Bleuler beschrieb das 1921 in “Das autistisch-undisziplinierte
Denken in der Medizin und seine Überwindung”.
Die Entwicklung von Heilverfahren jeglicher Art oder die Suche danach können zu einer
Sichtweise und Haltung führen, die dem klaren Denken im Wege steht. Weil bei
Heilverfahren Erwartungen und Hoffnungen auf beiden Seiten, der Seite der Patienten wie
auch auf der Seite des Arztes, besonders gross sind. Wie gehe ich als Forscher damit
um, wenn der so dringend erhoffte Effekt nach einer therapeutischen Massnahme nicht
eingetreten ist? Oder beim einen klappt es, beim anderen nicht. Oder noch ein anderer
erleidet dadurch Nachteile. Zuvor steht noch die Frage, aufgrund welcher Überlegungen
oder Beobachtungen man überhaupt darauf kommen kann, nach einem Heilmittel zu suchen.
Jede therapeutische Massnahme muss sich den gleichen Fragen stellen: Welcher Effekt
wurde beobachtet? Lässt sich eine Kausalität beweisen? Was lässt sich therapeutisch
nutzen? Wie kommen wir zu Beweisen einerseits für den Nutzen und andererseits für die
Unschädlichkeit der Methode? Und dies ist die Zielsetzung der Überwindung autistischen
Denkens: Dass Verlass ist auf die Studienergebnisse bzw. auf die darauf gründenden
erfolgreichen Behandlungen. Es gibt allerdings noch viel zu tun …
Eine solche Beweisführung ist sehr komplex und teuer. Da ist es wesentlich einfacher,
das Gewünschte zu behaupten. Zum Beispiel dürfte es kaum einen pharmakologischen Effekt
haben, wenn wir gemahlenes Nashornhorn als Medizin verschreiben. Eher wirken da
suggestive Momente. Und dafür ist der Heilsuchende eben empfänglich. In einigen Ländern
Afrikas werden die Knochen von Albino Menschen teuer gehandelt als Glückbringer für
Reichtum und Macht. Das führt zu einer gnadenlosen und unglaublich brutalen Jagd auf
diese Menschen. Ob wir dem nun Aberglaube oder autistisches Denken sagen, ist einerlei.
Ähnliche Beispiele gibt es auch in unserer von vornherein für rein befundenen
Schulmedizin. Ein groteskes Beispiel dafür war vor wenigen Jahren noch Natriumfluorid
(NaF). Es wurde unter wissenschaftlicher Flagge jahrelang gegen Knochenschwund
(Osteoporose) und die damit verbundene Knochenbrüchigkeit verschrieben. Tatsächlich:
Die Knochen werden härter. Allerdings verursachte das mehr Knochenbrüche statt weniger.
Der Fehler lag in der falschen Fragestellung und den falschen, autistisch gedachten
Schlussfolgerungen in den Studien. Statt der Frage "gibt es weniger Knochenbrüche?"
wurde die Frage eines Nebenschauplatzes oder Surrogatmarkers beantwortet: "ist der
Knochen härter?". Von dieser beweisbaren Wirkung wurde in autistischer Denkweise
abgeleitet, dass ein härterer Knochen das Problem der Osteoporose zu lösen vermag.
Es ist voll von solchen Beweisführungen in der wissenschaftlichen Literatur - auch
heute noch. Für Fachpersonen und erst recht für Laien wird es zunehmend schwieriger,
Studienergebnisse kritisch zu werten, und die Zuverlässigkeit der Aussagen zu
beurteilen. Besonders kritisch wird es, wenn finanzielle Interessen einen Einfluss auf
die Studienergebnisse und letztlich auf die Behandlungen haben (dazu gibt es äusserst
beunruhigende Hinweise in Peter C. Gøtzsche „Tödliche Medizin und organisierte
Kriminalität“).
Es wäre sehr begrüssenswert, wenn das weltweit vorhandene überlieferte Wissen über
Heilverfahren systematisch gesammelt und wissenschaftlich analysiert würde. Das wäre in
der Tat sehr aufwändig. Aber man darf vermuten, dass z.B. mit dem Budget eines modernen
Krieges (Irak z.B. mehrere 100 Milliarden USD) sehr viel und lange mit Gewinn geforscht
werden könnte.
Das Praxislabor ist ein wichtiger Pfeiler in der ärztlichen Versorgung. Durch die
Möglichkeit, während der Sprechstunde Labordaten zu erhalten, entsteht eine
unvergleichliche Effizienz. Auch wenn dieses Präsenzlabor etwas teurer ist als das
Grosslabor, ermöglicht es volkswirtschaftliche Einsparungen. Diese entstehen zum
Beispiel dadurch, dass der Patient nicht warten oder nochmals vorbeikommen muss
(Arbeitsausfall). Manchmal kann eine Überweisung an das teure Spital umgangen werden.
Die praktische Aufhebung des Präsenzlabors durch behördliche Tarifmanipulation (BAG
Tarifsenkungen 2009) entspricht einem willkürlichen Entscheid zur angeblichen
Kostensenkung, wobei wie gewohnt nicht alle Kostenanteile einbezogen werden. Man
betrachtet vornehmlich die Ausgabenseite der direkten Heilungskosten, entsprechend der
Krankenkassensicht.
Wer einmal selbst erleben möchte, was eine Praxis ohne Labor bedeutet, soll sich mal in
Italien für eine Kontrolle der Blutgerinnung bei medikamentöser Blutverdünnung (Quick)
anmelden. Eine mehrstündige Odyssee kann dabei auf ihn zukommen, was hier höchstens
eine Viertelstunde dauert.
Apotheker als Grundversorger?
Ein neues Versicherungsangebot der SWICA offerierte einen Prämienrabatt, wenn zuerst
der Apotheker konsultiert wird.
Dazu folgendes: An sich ist die Idee nicht schlecht, denn schon jetzt gehen viele
Patienten zuerst mal in der Apotheke fragen. Dagegen kann man nichts haben in einem
freien Land. Dass aber finanzielle Anreize bei der Prämienberechnung mit der
Verpflichtung zur Erstberatung beim Apotheker gekoppelt sind, ist doch etwas ganz
anderes. Dabei werden Behandlungsverzögerungen, Unterbehandlungen bzw. ausbleibende
dringende Therapien, aber auch Überbehandlungen geradezu in Kauf genommen bei einem
Bevölkerungsteil, der aufgrund der finanziellen Ressourcen besonders gefährdet sein
kann.
Weitere Aspekte wie Vergütung im KVG, haftrechtliche Fragen sowie wissenschaftliche
Daten bezüglich Nutzen scheinen Klärungsbedarf zu haben.
Weitergedacht: Rabatte für die, die zuerst zum Pfarrer gehen? Oder für jene, die zum
Tierarzt gehen: Besonders kostensparend, weil nur kurze Konsultation über Gesten und
Laute.
Man muss das wohl historisch sehen: Nachdem drei teils peinliche Verhinderungsversuche
der direkten Medikamentenabgabe (2003-2008) durch das Stimmvolk zum Scheitern gebracht
wurden, brauchte es einen Gegenangriff und wohl auch die wirtschaftliche Korrektur: Wir
Apotheker sind die neuen Grundversorger!
Dabei beachte man die argumentativen Subtilitäten aus der Medikamenten-Abgabe-Debatte:
Uns Ärztinnen wurden zertifizierte Kompetenzen (Pharmakologie ist geprüfter Teil der
Ausbildung/Staatsexamen) abgesprochen, und wir wurden als nicht kompetent deklariert
zur Medikamentenabgabe. Umgekehrt aber sehen sich nun die ApothekerInnen freilich
jederzeit kompetent für die Grundversorgung, wofür sie ausbildungstechnisch allerdings
kaum etwas im Rucksack haben. Denn die ärztlichen Fertigkeiten lernen wir nicht im
Studium, sondern erst nachher nach langen Jahren am Krankenbett. Und das Argument der
mangelnden Hausärzte kommt gerade recht, um dem Ganzen noch den Anstrich von
Selbstlosigkeit und Nützlichkeit zu geben. Wer um die Komplexität der Grundversorgung
weiss, gibt dem Projekt natürlich wenig Chancen. Was es uns auch noch offenbart: Das
verschrobene Denken von Kassen, Funktionären und Apothekern. Danke für die Offenheit!
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Normalerweise ist Sparen ein Optimierungsprozess, um bei einem Produkt den
Aufwand für die Herstellung, Lagerung und den Vertrieb möglichst klein zu halten.
Letztlich soll also ein tieferer Preis für das Produkt bei identischer Qualität
erzielt werden.
Auch bei Dienstleistungen wie in einem Gesundheitssystem müssen stets
Optimierungsprozesse in Gang sein, um bestmögliche Qualität zu einem guten Preis
zu erbringen. Diese sollten sowohl Zulieferer wie auch Arbeitsabläufe erfassen,
ferner gleichsam Leistungen der Verwaltung.
Sparen kann aber auch heissen: Weniger ausgeben und weniger bekommen. Weglassen
kann ganz allgemein eine Chance sein, aber es kann sich auch umgekehrt nach einem
langen Intervall praktisch irreparabel rächen. Hier sei als Beispiel der numerus
clausus in der Schweiz erwähnt. Eine sowohl personell wie auch bezüglich
Berechnung absolut intransparente Beschränkung der Medizinstudenten zum Zweck der
Kosteneinsparung. Die Gleichung lautete offenbar: weniger Ärzte=weniger Kosten.
Das Ergebnis dieser unkontrollierten Steuerung während Jahrzehnten ist nun ein
kaum zu lösender Ärztemangel. Wie und wo da nun gespart werden konnte, wäre noch
zu untersuchen, bzw. der Schaden solcher Politik müsste öffentlich beziffert
werden.
In einem versicherten Gesundheitswesen gibt es eine ausschlaggebende
Besonderheit. Der Interessent, Käufer oder Patient ist nicht der gleiche, der
bezahlt. Er hat im Voraus eine Pauschale entrichtet. Der eigentliche Bezahler
ist die Versicherung. Infolgedessen sind die Interessen der beiden nicht
dieselben (wer zahlt, befiehlt). (Alternative: siehe Artikel).
Zudem kann sich die Interessenlage eines Patienten erheblich unterscheiden, wenn
eine Pauschale im Voraus entrichtet worden ist, oder wenn Leistungen
entsprechend dem Bezug vergütet werden müssen.
In einem Krankheitsfall entstehen Kosten in einem oder mehreren von vier
Bereichen: Heilungskosten, Arbeitsausfall (Taggelder) und allfällige Invalidität
(Renten) oder vorzeitiger Tod (Verlust produktiver Lebensjahre - der teuerste
Teil).
Wenn z.B. am Fernsehen von den Gesundheitskosten gesprochen wird, sind
allermeist lediglich die Heilungskosten gemeint.
Um eine Kostenoptimierung vornehmen zu können, müssen die anfallenden Auslagen
dieser aller Bereiche betrachtet werden. Es kann sonst NICHT optimiert werden.
Krankenkassen optimieren lediglich ihren eigenen Bereich: Sie streben möglichst
tiefe Heilungskosten an. Das ist so zu erwarten und in der Wirklichkeit
festzustellen. Es wäre zu beweisen, dass tief gehaltene Heilungskosten die
Gesamtkosten ebenfalls tief ausfallen lassen. Eher ist vom Gegenteil auszugehen.
Nämlich, dass manche Einsparungen bei den direkten Heilungs- oder
Behandlungskosten höhere Ausgaben in einem der anderen Bereiche verursachen.
Dann entstehen letztlich volkswirtschaftlich höhere Gesamtauslagen.
Gesamtkostenrechnungen sind aufwändig, daher meines Wissens zu guten Teilen
unerforscht.
Volkswirtschaftliche Kostenberechnungen mit Einbezug aller genannten
Kostenbereiche sollten Berechnungsgrundlage sein, um eine Kostenoptimierung
vorzunehmen. Das müsste besonders auch für die Bemühungen der santésuisse
gelten, die mit ihren Statistiken "teure" Ärzte mit Rückforderungen behelligt.
Der Spareffekt auf die Gesamtkosten ist keineswegs belegt. Im Gegenteil: Durch
Unterbehandlungen und Patientenselektion (als Folge des Drucks auf die Ärzte)
sind weit höhere Folgekosten anzunehmen.
In einer Notfallsituation können hohe Anfangsinvestitionen in die Abklärung
spätere Folgekosten vermeiden helfen.
Eine sofortige umfassende Abklärung zur Erhärtung der Diagnose ermöglicht die
richtige Einschätzung der Lage und die umgehende angemessene Behandlung.
Folgekosten bei verzögerter Diagnostik können um ein Vielfaches höher liegen als
aufwändige Abklärungen. Zum Beispiel könnten aus einer Verzögerung
(Sparabsicht!) Invalidität oder noch schlimmer ein vorzeitiger Todesfall
resultieren.
Für die Kasse sieht es dann tatsächlich gut aus. Volkswirtschaftlich aber gar
nicht, wir verlieren nämlich alle dabei.
In der Geriatrie sollte die Selbständigkeit des Menschen bei einer guten Lebens-
qualität möglichst lange erhalten werden. Beim Verlust der Selbständigkeit
werden zunehmend Fremdleistungen notwendig. Das bedeutet also pflegerische
Leistungen durch Angehörige oder Dienstleister wie z.B. Spitex, oder auch durch
eine Heimplatzierung.
Wir können z.B. durch einen Hüftgelenksersatz die Selbständigkeit erhalten. Ohne
diese Operation braucht der Betroffene zunehmend fremde Hilfe.
Invaliditätsbedingte Pflegekosten würden die Kosten des Gelenkersatzes bald um
ein Mehrfaches übersteigen. Die Kosten der Prothese und der Operation erscheinen
unter diesem Gesichtspunkt nahezu irrelevant. Die Kassen und auch Managed Care
Systeme kaprizieren sich aber auf diese Kosten. Diese Optimierung im
irrelevanten Bereich birgt die Gefahr, dass billiges Material gewählt (und
vorgeschrieben) wird, welches qualitativ nicht ebenbürtig ist, wie eben das
teurere - unter Umständen mit Folgekosten.
Mit der Absicht zu sparen benutzt ein Kollege waschbare Überzüge aus Stoff für
seine Untersuchungsliege. An sich eine gute Überlegung, wobei die genaue
Kostenberechnung mit Vergleich von Papierunterlagen noch zu machen ist, ebenso
ist die Ökobilanz anzugucken.
Aber jetzt kommt die Peinlichkeit: Diese Leintücher werden im Laufe des Tages
bloss ein- bis zweimal gewechselt. Die Patienten liegen im Sinne einer Zumutung
somit nicht auf einwandfrei sauberen Unterlagen. Was wir in einem Hotel als
selbstverständlich erwarten, soll also in einer Arztpraxis nicht möglich sein.
So "spart" er etwa 30 Rappen pro Untersuchung (Kosten für Papierauflagen),
wenige hundert Franken pro Jahr.
Es besteht ein kleines Ansteckungsrisiko für Scabies (Krätze). Der vermeint-
liche Spareffekt beruht auf einer deutlichen Qualitätsverschlechterung. Dies
entspricht nicht der einen Definition von Sparen: das Gleiche zu einem besseren
Preis. Hier wird also "gespart" durch Minderung von Qualität und Sicherheit.
Auch im Schnellimbiss Restaurant werden wir satt. Der Preis kann sich aber
erheblich von einem richtigen Restaurant unterscheiden.
Ginge es allein um den Preis oder ums Sparen, müsste man jedem das billigere
empfehlen: man wird ja genau gleich satt.
Allerding ist für jeden offensichtlich, dass die erhaltenen materiellen Güter
(Essen und Trinken) und immateriellen Werte (Ambiance, Bedienung) nicht
vergleichbar sind.
Daher: Holzauge sei wachsam, wenn auf dem Gebiet der Medizin Sparvorschläge
gemacht werden. Man muss alles sehr genau vergleichen. Und „die wirklichen
Kosten“ im Gesundheitswesen beachten!
Wenn Ökonomen, Politiker oder Kassenvertreter von Sparen sprechen, ist Präzision
einzufordern: Was genau meinen diese, wovon reden sie? Wollen sie optimieren
oder wollen sie weglassen? Können z.B. mit den DRG (diagnosis/disease related
groups) in der stationären Medizin wirklich Einsparungen erzielt werden?
Bisherige Erfahrungen deuten auf eine Ausweitung von Behandlungen hin. Patienten
werden zu Therapien gedrängt. Dabei werden Ressourcen in eine überbordende
Bürokratie (Abrechnung gemäss Diagnosenliste) investiert.
In der Grundversorgung geht es wesentlich öfters um ganz andere Dinge als
Impfen, Blutzucker und Blutdruck messen oder Infektbehandlungen, so wie sich das
Laien bis hin zu Bundesräten gelegentlich vorzustellen scheinen. Manche
hausärztliche Behandlung besteht aus einer komplexen individuellen Abklärung
unter möglichst optimalem Einsatz der Ressourcen. Oftmals geht es aber um eine
umfassende Begleitung, eine differenzierte Lebensberatung, eine Unterstützung in
leidvoller Zeit. Das alles lässt sich nicht ohne weiteres katalogisieren oder
gar standardisieren.